Hin – und zurück, mein Freiwilligendienst in Lidice

Mein Name lautet Florin Maletz und seit September arbeite ich als Freiwilliger der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste (ASF) für die Gedenkstätte Lidice.

Mein Jahr in Tschechien war überraschend aufregend und mit vielen, wertvollen Erfahrungen gesegnet.
Nachdem ich im Juni 2019 mein Abitur in Osnabrück gemacht hatte, war für mich klar, dass ich gerne einen Freiwilligendienst im Ausland absolvieren würde, am besten in einem Projekt mit Geschichtsbezug. Da war die Gedenkstätte Lidice beinahe eine natürliche Wahl.

Während ich anfangs mich noch sorgte, dass Tschechien ja doch etwas eintönig sein könnte und weniger aufregend als Länder wie Israel oder Russland, muss ich jetzt eingestehen: Ich irrte mich gewaltig! Auf der Arbeit tauchte ich in eine lebendige und sich stetig im Wandel befindende Erinnerungskultur ein. In meiner Freizeit erkundete ich die vielen Ecken von Prag, besuchte ich unzählige Galerien, Parks und Kneipen und nutzte ich das bestausgebauteste Schienennetz Europas, um die vielen, einzigartigen Städte der Tschechischen Republik zu bereisen. Auch an das Leben im panelák gewöhnte ich mich schnell. Aus einem klobigen Betongebäude wurde ein richtiges Zuhause mit einem atemberaubenden Ausblick, den es nur von einem Balkon in der elften Etage geben kann.

In der Gedenkstätte wurde ich herzlich empfangen und schnell in die Arbeit eingebunden. Bereits nach einer Woche hatte ich die Chance, die ersten deutsch- und englischsprachigen Führungen über das Pietätsgelände zu geben. Jenes Gelände, auf dem bis zum Sommer 1942 das alte Dorf Lidice stand, bevor es von den Nazis komplett zerstört wurde. Der direkte Kontakt zu den Besuchern, das Erzählen und Fragen beantworten, gefällt mir sehr. Beim Führen von Gruppen, habe ich das Gefühl wichtiges Wissen weiterzugeben und meinen Teil dazu beizutragen, dass die tschechischen Opfer der deutschen Faschisten nicht in Vergessenheit geraten. Dieses Gefühl wird mir auch von den Gruppen gespiegelt, die am Anfang einer Führung zum Teil recht unruhig sind, dann aber, je mehr sie von der tragischen Geschichte der Lidicer Bewohner erfahren, immer aufmerksamer, interessierter und betroffener werden.
 
Eine weitere größere Aufgabe war meine Recherchearbeit zu den Künstlern, deren Kunstwerke zurzeit in der Lidicer Kunstgalerie ausgestellt werden. Unter ihnen sind auch namhafte Künstler, wie zum Beispiel Gerhard Richter mit seinem fotorealistischen Gemälde „Onkel Rudi“ oder die österreichische Künstlerin Valie Export mit der Wachsskulptur „Heads – Aphärese.“ War ich anfangs noch wenig Kunstinteressiert, entwickelte ich bei dieser Arbeit zwangsläufig ein Interesse an zeitgenössischer Kunst.

Darüber hinaus half ich bei den verschiedensten, anstehenden Aufgaben. Texte aus dem Englischen ins Deutsche zu übersetzen, Dokumente einscannen, Mail-Kontakt zu deutschen Partnern halten oder die Kinderkunstausstellung vor- und nachbereiten, waren nur einige davon. Die vielfältigen Arbeiten in Kombination mit freundlichen Kollegen machten den plötzlichen, Covid-bedingten Abbruch meines Freiwilligendienstes im März besonders schmerzhaft.

Entsprechend froh war ich dann aber, als ich Ende Juni nach Tschechien zurückkehren konnte, um meinen Freiwilligendienst in Lidice fortsetzen und das wundervolle Prag im Sommer genießen zu können. Auch jetzt fällt mir der Gedanke schwer, dass ich Ende August meine zweite Heimat nun endgültig verlassen muss. Für mich wird es in die kleine Universitätsstadt Göttingen gehen, wo ich an meine Arbeit in Lidice anknüpfen werden, indem ich Geschichte studiere.

Und wer weiß, vielleicht lässt sich in den nächsten Semestern eine Studienfahrt mit meinen Kommilitonen nach Lidice organisieren. Schließlich hat mir die Zeit in Lidice sehr gut gefallen, habe ich vieles im Bereich Gedenkstättenarbeit gelernt. Da würde ich den Kontakt nur ungern abbrechen lassen.

Es grüßt und verabschiedet sich herzlich
Děkuji za krásně strávený čas.

Florin Maletz
autor pracuje jako dobrovolník v Památníku Lidice

English version of the article

My whole name is Florin Maletz and since September I am working as a volunteer, sent by the organisation Action Reconciliation Service for Peace (ARSP), in the memorial Lidice. The year in the Czech Republic was surprisingly exciting and full of valuable experiences.

After I finished the final exams in my hometown Osnabrück, I wanted to serve as a volunteer for one year in a foreign country. Best in a project with a connection to a historical topic. Therefore, the memorial Lidice was somewhat of a natural choice.

Whereas in the beginning, I feared that living in the Czech Republic might be dull and not as thrilling as living in countries like Israel or Russia, I have to admit now: I was wrong! At work I immersed into a vivid and constantly evolving remembrance culture. In my free time I explored the many beautiful parts of Prague. I visited art galleries, parks and pubs. Additionally, I used the most comprehensive railway system in Europe to tour the many and unique cities in Czechia. Also, I soon got used to living in a panelák. The bulky concrete building became a real home with a breathtaking view, which only can exist from a balcony in the eleventh floor.

In the memorial I was warmly welcomed and quickly involved into the work of the memorial. After only one week, I already had the chance, to guide my first English- and German-speaking groups over the reverent area. The area, where the former village of Lidice stood until the summer 1942, when it was annihilated by the Nazis. I really like the direct contact to the visitors, the telling of the story of Lidice and the answering of questions, because I have the feeling that I pass on important knowledge and that I do my part, in keeping the memory of the Czech victims of the German fascists alive. The feeling is especially strong, when the group is noisy in the beginning, but then becomes quieter, more interested, the more they get to know about the tragic history of the inhabitants of Lidice.
 
Another big task was researching artists and their artworks, which are exhibited in the Lidice art gallery. Beneath those artists are some quiet famous ones, as for example Gerhard Richter with his photorealistic painting “Uncle Rudi” or the Austrian artist Valie Export with her wax sculpture “Heads – Aphärese.” In the beginning, I was not interested in art at all, however by doing this research I inevitably developed a fascination for contemporary art.

Furthermore, I helped with all kinds of task, which must be done in a memorial. I translated German texts into English, scanned documents, stayed in touch with German partners and helped preparing the Children´s art exhibition. Due to the diverse tasks and my friendly colleagues the abrupt stop of my volunteer service, conditioned by the Covid-19-pandemic, in the mid of March was especially painful.

Accordingly, I was extremely happy when I could come back to the Czech Republic in the end of June to continue my volunteer service and to enjoy the summer in the wonderful town of Prague. Even now, I do not like the thought that I have to leave my second home at the end of August again. My next destination will be the small university town Göttingen, where I will study history.

And who knows, perhaps somewhen I might organize an excursion to the memorial Lidice with my fellow students. Eventually, I really liked my time in Lidice and I learned a lot about memorial work. Therefore, I would only reluctantly lose the contact to the memorial.

Děkuji za krásně strávený čas.

Florin Maletz
author works as a volunteer in the Lidice Memorial